Mehr Partizipation für Kinder und Jugendliche

14.11.2016
Wie man Kinder und Jugendliche in alle das Zusammenleben betreffende Prozesse mit einbeziehen kann, diskutierten 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Partizipationsforums am Samstag im Landratsamt.

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Ein Vortrag sowie Workshops in der von Kommunaler Jugendarbeit und Kreisjugendring organisierten Veranstaltung brachten wichtige Erkenntnisse.

„Demokratie funktioniert nur durch Beteiligung“, stellte Landrat Jens Marco Scherf fest und sprach von der zurzeit verstärkt wahrzunehmenden Notwendigkeit, die Bürgerinnen und Bürger stärker einzubeziehen. Das könne man bei den Wahlen in den USA sehen, als die Menschen mehrheitlich den umstrittenen Präsidentschaftskandidaten gewählt hätten, „weil er etwas verändert“ und weil er eine Abkehr von der zurzeit gelebten Politik verkörpere. Deshalb verdiene das Thema Partizipation eine verstärkte Wahrnehmung, sagte Scherf und erhoffte sich konkrete Schritte, wie dies gelingen könnte.

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Referent Winfried Pletzer regte eine eigenständige kommunale Kinder-, Jugend- und Familienpolitik an.

In seinem Referat über „eigenständige Jugendpolitik und Partizipation von Kindern und Jugendlichen“ ging Winfried Pletzer, Abteilungsleiter beim Bayerischen Jugendring, zunächst auf die demographische Lage ein. „Uns erwartet nichts Gutes“, belegte er am Beispiel des Landkreises Miltenberg, der bis 2034 15,5 Prozent der unter 18-Jährigen verlieren werde. „Aber genau diese Leute tragen unsere Zukunft“, stellte er fest. Dass junge Menschen für Ausbildung und Studium weggingen, sei normal. Wichtig sei aber, sie wieder zurückzuholen. Um dies zu erreichen, regte Pletzer eine eigenständige kommunale Kinder-, Jugend- und Familienpolitik an. „Kinder und Jugendliche sind ein Standortfaktor“, schrieb er der Politik ins Stammbuch. Eine Zukunftswerkstatt mit jungen Menschen habe Interessantes ans Tageslicht gebracht. Bei der Frage, was ihre Heimat attraktiv macht, hätten die Jugendlichen eine aktive Bürgerbeteiligung, Arbeits- und Ausbildungsplätze, gute Bildung, Zusammenhalt der Bevölkerung und Kontakt zu Freunde genannt. „Viele dieser Punkte sind Faktoren, die ländliche Gemeinden schaffen können“, sagte Pletzer. Wenn die wichtigsten Bausteine stimmen, würden junge Menschen auch längere Wege zur Arbeit in Kauf nehmen und in ihrer Gemeinde wohnen bleiben, zeigte sich Pletzer überzeugt. Laut einer Studie seien Orte umso stabiler, je mehr Bewohner sich engagieren. Eine aktive Bürgergesellschaft entscheide deshalb über Schrumpfung oder Stabilität. „Eine Entwicklung im Sinne einer nachhaltigen Zukunft ländlicher Regionen kann nur gelingen, wenn Jugendbeteiligung als grundlegender Baustein einer sozialen Infrastruktur im Gemeinwesen anerkannt wird“, steht für den Fachmann fest. Für junge Menschen sei es auch weniger wichtig, Bauland zu bekommen, als vielmehr günstigen Wohnraum. Pletzer riet den Gemeinden deshalb: „Bauen, Bauen, Bauen.“

Zur Partizipation Jugendlicher gebe es viele Sonntagsreden, kritisierte er, häufig würden die Interessen Jugendlicher nur selten wahrgenommen. Dabei beteilige sich die Jugend durchaus am Gemeinwesen. Er nannte das Beispiel Passau, als sich bei der Hochwasserkatastrophe im Jahr 2013 viele Jugendliche schnell über soziale Netzwerke zusammengefunden und geholfen hätten. Junge Menschen würden aber schnell erkennen, wenn ihre Mitwirkung lediglich als Alibimitwirkung gefragt sei. Sie wollten vielmehr „auf das Ganze“ Einfluss nehmen, stellte Pletzer fest. Das aber bedeute für Erwachsene, ein Stück weit Macht und Kontrolle abzugeben. Als gutes Beispiel nannte er eine Stadt, in der die Jugendlichen aufgefordert worden seien, alles zu fotografieren, was ihnen gefällt und nicht gefällt. Die Preise des Fotowettbewerbs seien während einer Bürgerversammlung verliehen worden. Über die von den Jugendlichen genannten Defizite sei dann diskutiert worden. „Das nenne ich Ernst nehmen“, kommentierte Pletzer. Eine Studie habe gezeigt, dass Jugendliche sich durchaus sozial oder ökologisch engagieren, aber nicht unbedingt politisch im herkömmlichen Sinn. Partizipation bedeute für Jugendliche: keine Hierarchien, Spaßkultur, Freundschaften, keine Taktik und Kompromisse, Aktionen, realistische Ziele und ein Engagement auf Zeit.

In der anschließenden Diskussion wurde auch die Rolle der Schule thematisiert. Die dortige Schülerbeteiligung sei „keine Form ernsthafter Beteiligung“, stellte Pletzer fest. „Demokratie muss aktiv erarbeitet werden“, stimmte Landrat Jens Marco Scherf zu, deshalb müsse man auch das Thema Schule neu denken.


Mit repräsentativen Formen der Partizipation befasste sich die Arbeitsgruppe von Kreisjugendpfleger Helmut Platz (Mitte).

Anschließend teilten sich die Gäste in zwei Arbeitsgruppen auf. Die Gruppe von Kreisjugendpfleger Helmut Platz befasste sich mit repräsentativen Formen der Partizipation – etwa mit Kinder- und Jugendparlamenten, Jugendbeiräten und Jugendgemeinderäten, die Gruppe von Igor Kos und Alison Wölfelschneider (Kreisjugendring) diskutierte über offene und projektorientierte Formen der Partizipation.

Am frühen Nachmittag stellten die Gruppen ihre Ergebnisse im Plenum vor. Die Kernaussage beider Arbeitsgruppen bestätigte Winfried Pletzers Thesen und Einschätzung: Das Thema Beteiligung muss in allen Kommunen als grundlegendes Prinzip erkannt, eingerichtet und umgesetzt werden. Kritisch sahen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer repräsentative Formen, die von jungen Menschen aus unterschiedlichsten Gründen abgelehnt würden. Genannt wurden ein schwer zu durchschauendes Wahlverfahren, ein zu langer Beteiligungszeitraum sowie eine Sprache, die junge Leute als „nicht jugendgemäß“ wahrnehmen. Für junge Menschen sei der Begriff Politik zudem negativ besetzt und gelte als unkonkret. „Das muss sich grundlegend ändern“, lautete eine Kernaussage. Um die Beteiligung umzusetzen, müssten neue Formen der Zugänge und Beteiligung entwickelt werden; soziale Netzwerke seien dabei unerlässlich.
Wenn Partizipation als offene, projektorientierte Form umgesetzt wird, bestehe zwar die Gefahr einer gewissen Unverbindlichkeit, allerdings biete sich auch die Chance, dass sich viele beteiligen, ohne dass große bürokratische Hürden aufgebaut werden. Zudem sei der zeitliche Rahmen überschaubar und ein sichtbarer Erfolg käme zeitnah. Bei allen Überlegungen sei die frühzeitige Beteiligung und Einbindung von Kindern und Jugendlichen sehr wichtig, so das Fazit der Arbeitsgruppe.

Vereinbart wurde, in einer weiteren Veranstaltung Beispiele aus der Praxis vorzustellen, die sich bewährt haben. Die Mandats- und Entscheidungsträger im Landkreis sollen über den weiteren Ablauf informiert und zur aktiven Teilnahme eingeladen werden. Mehrere Kommunen haben bereits ihr Interesse bekundet. Am Ende des rund fünfstündigen Forums stand die einhellige Meinung, die Veranstaltung habe wichtige Ergebnisse gebracht. Es gelte nun, dieses Thema weiter zu verfolgen.

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Vor rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern eröffnete Landrat Jens Marco Scherf am Samstagmorgen das Partizipationsforum.

Kategorien: Kommunale Jugendarbeit

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